Gestern war ein schwarzer Tag für die deutsche Demokratie. Jeder 10. Westdeutsche und jeder 5. Ostdeutsche hat dafür gesorgt, dass in den 19.ten deutschen Bundestag rechtsextreme Volksverhetzer und Revanchisten einziehen.
Die präsidiale Kanzlerin hat die Auseinandersetzung um Werte im Wahlkampf ausgesessen und das „Weiter so“ beschworen. Damit hat sie den rechten Angst-Schürern das Feld überlassen. Seit Jahren geht die Spaltung der Gesellschaft in Super-Reich und Arm weiter, obwohl Wissenschaft und Sozialverbände den dringenden Handlungsbedarf beschwören. CDU/CSU haben weitgehend ihre Regierungsmacht genutzt, um Reformen, die ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft aufhalten könnten, zu verhindern. Dem beherzten „Wir schaffen das“ der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise folgte eine Beschwichtigungspolitik der CDU/CSU gegenüber den rechten und xenophoben Strömungen in der Gesellschaft. Die verbale Aufrüstung der CSU in diesem Zusammenhang diente im Wesentlichen der AfD.
In einer Zeit schneller Sensations-Meldungen haben die Medien ihren Auftrag als vierte Macht im Staate verspielt. Statt die Aufmerksamkeit auf Sachthemen und Inhalte in der politischen Auseinandersetzung im Wahlkampf zu lenken, bereiteten sie den reißerischen Parolen der AfD eine überdimensionale Platform.
Mit ihrem viert-schlechtesten Ergebnis in der Partei-Geschichte (1924: 20.5%, 1932: 20,4% und 1933: 18,3%) ist die SPD bei diesen Wahlen krachend eingebrochen.
Obwohl die SPD in den großen Koalitionen wesentliche Maßnahmen für ein solidarisches und soziales, aber auch wirtschaftlich gesundes Land durchgesetzt hat, wurde dies von der Wählerschaft nicht honoriert. Man denke nur an die Durchsetzung der Verlängerung des Saison-Kurzarbeitergeldes während der Wirtschaftskrise 2009 oder an die Durchsetzung des Mindestlohnes und vieles Andere.
Heute ist die SPD existentiell bedroht. Ihre Stamm-Wähler – die Arbeiter – sind ihr abhanden gekommen. Unter anderem, weil es diese immer weniger gibt.
Oder weil sie in ihren prekären Arbeitsformen weder in den Gewerkschaften noch in der Sozial-Demokratie die für sie relevanten Strukturen finden.
Die klassischen Arbeitnehmer mit fester Lebensarbeits-Stelle sind eine Rarität geworden und gehören mittlerweile in der Regel dem Mittelstand an – und teilen mit diesen die Abstiegsängste, die aus den Umbrüchen einer sich digitalisierenden Gesellschaft erwachsen.
„Gute Arbeit für Alle“ wird als Kampfruf für die SPD nicht mehr reichen. Solidarität und Soziale Gerechtigkeit muss neu definiert und unter Einbeziehung klarer Umverteilungs-Konzepte als Leitthema der Sozialdemokratie zurück gewonnen werden.
Dabei müssen Visionen erarbeitet werden, wie eine solidarische und soziale Gesellschaft mit den rasanten Entwicklungen in der digitalen und in der Bio-Technologie umgehen kann und soll.
Als 1928 bei den Reichstagsgswahlen die NSDAP nach den Sozialdemokraten die stärkste Fraktion im Weimarer Reichstag stellte, dachten wohl die wenigsten, dass dies der Anfang vom Ende der ersten deutschen Demokratie sein würde.
Auch damals wählten viele Bürger aus dem Mittelstand (Bauern und Angestellte, Handwerker und Einzelhändler, Beamte und Studenten) die rechten Populisten. Wie heute waren Abstiegs- und Verlustängste das zentrale Motiv, dass die Rechtsradikalen mit vereinfachenden Antworten und Schuldzuweisungen bedienten. Wie heute wurden „Andere“ beschuldigt, das deutsche Volk zu gefährden und zu unterwandern. Damals waren es die Juden, heute sind es die Muslime. Damals war es das internationale Finanz-Judentum, heute ist es der internationale islamistische Terrorismus, der zum Aufbau der Feindbilder herhalten muss.
1933 waren es sozialdemokratische Abgeordnete, die sich als letzte dem aufziehenden braunen Terror in den Weg stellten. Hoffen wir, dass es nicht wieder dazu kommt!